Von Werner Bergedorf
JD Vance, der US-Senator aus Ohio und Autor des Bestsellers Hillbilly Elegy, hat sich in den letzten Jahren als eine polarisierende Figur in der amerikanischen Politik etabliert. Während er oft als Stimme des „vergessenen Amerikas“ gefeiert wird, gibt seine Haltung zu internationalen Themen, insbesondere zu Deutschland, Anlass zur kritischen Auseinandersetzung. Vance vertritt Positionen, die nicht nur seine isolationistische Grundhaltung offenbaren, sondern auch ein tiefes Misstrauen gegenüber Deutschlands Rolle in der globalen Ordnung zeigen.
Vance’s politische Ausrichtung: Populismus und Isolationismus
Vance ist ein prominenter Vertreter des sogenannten „America First“-Populismus, der unter der Präsidentschaft Donald Trumps an Bedeutung gewann. Diese Ideologie betont nationale Souveränität und steht multilateralen Institutionen sowie internationalen Partnerschaften skeptisch gegenüber. Vance hat sich wiederholt gegen eine starke transatlantische Zusammenarbeit ausgesprochen und kritisiert, dass die USA zu viel Verantwortung für die Sicherheit und Stabilität Europas übernehmen. Dabei richtet sich seine Kritik besonders oft gegen Deutschland, das er als Nutznießer der amerikanischen Sicherheitsgarantien sieht, ohne angemessene Beiträge zu leisten.
In einem Interview mit dem American Conservative bezeichnete Vance Deutschland als einen „freifahrenden“ Akteur, der sich auf die USA verlässt, um seine eigenen Interessen zu schützen, während es gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile aus der globalen Ordnung zieht. Diese Aussage spiegelt eine vereinfachende und einseitige Sichtweise wider, die die komplexe Rolle Deutschlands in der NATO und der EU ignoriert.
Deutschland als Symbol für „Globalismus“
Für Vance scheint Deutschland oft ein Symbol für das zu sein, was er als „Globalismus“ ablehnt – eine offene, multilaterale Weltordnung, die er als Bedrohung für die amerikanische Souveränität und die Interessen der Arbeiterklasse betrachtet. Er kritisiert die deutsche Exportorientierung und die Dominanz der deutschen Wirtschaft in der EU, die er als unfairen Wettbewerb für amerikanische Unternehmen darstellt. Dabei blendet er jedoch aus, dass die deutsche Wirtschaft eng mit der amerikanischen verflochten ist und beide Länder von dieser Partnerschaft profitieren.
Vance’s Kritik an Deutschland geht jedoch über wirtschaftliche Fragen hinaus. Er hat sich auch skeptisch gegenüber der deutschen Führungsrolle in der EU geäußert und behauptet, dass Deutschland seine Macht nutzt, um andere europäische Länder zu dominieren. Diese Darstellung ignoriert die komplexe Dynamik innerhalb der EU, in der Deutschland zwar eine zentrale Rolle spielt, aber auch auf Kompromisse und Konsens angewiesen ist.
Die Ukraine-Krise und Vance’s Kritik an Deutschland
Besonders deutlich wurde Vance’s ambivalentes Verhältnis zu Deutschland im Kontext der Ukraine-Krise. Während Deutschland unter Bundeskanzler Olaf Scholz eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung der Ukraine gespielt hat, hat Vance die deutsche Politik wiederholt kritisiert. Er wirft Deutschland vor, zu zögerlich zu handeln und sich zu sehr auf russische Energieimporte zu verlassen, was die europäische Sicherheit gefährdet habe.
Allerdings übersieht Vance dabei, dass Deutschland seit Beginn des Krieges erhebliche Anstrengungen unternommen hat, um seine Energieabhängigkeit von Russland zu reduzieren und die Ukraine militärisch und finanziell zu unterstützen. Seine Kritik scheint weniger auf einer fundierten Analyse der deutschen Politik zu beruhen als vielmehr auf einem generellen Misstrauen gegenüber europäischen Verbündeten.
Fazit: Ein gefährlicher Isolationismus
JD Vance’s Haltung zu Deutschland ist symptomatisch für einen gefährlichen Isolationismus, der die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit und die Komplexität globaler Beziehungen unterschätzt. Seine vereinfachende Kritik an Deutschland als „Freifahrer“ oder „Dominator“ spiegelt eine politische Philosophie wider, die auf Konfrontation statt Kooperation setzt. In einer Zeit, in der die transatlantische Partnerschaft angesichts globaler Herausforderungen wie des Klimawandels, der Bedrohung durch autoritäre Regime und wirtschaftlicher Unsicherheit wichtiger denn je ist, sind Vance’s Positionen nicht nur kurzsichtig, sondern potenziell schädlich für die Interessen der USA und ihrer Verbündeten.
Deutschland und die USA verbindet eine lange Geschichte der Zusammenarbeit, die auf gemeinsamen Werten und Interessen basiert. Statt diese Partnerschaft zu schwächen, sollten Politiker wie Vance daran arbeiten, sie zu stärken – denn nur gemeinsam können die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigt werden. Vance’s Kritik an Deutschland mag bei einem Teil der amerikanischen Wählerschaft Anklang finden, doch sie ist letztlich eine Sackgasse, die weder den USA noch ihren Verbündeten dient.