Marine Le Pens politische Karriere vorerst beendet – doch der RN könnte gestärkt daraus hervorgehen

Von Hannah Goldwin

| 02.04.2025

Marine Le Pen, bis vor kurzem noch als Favoritin für die französische Präsidentschaft gehandelt, muss die politische Bühne vorerst verlassen. Ein Pariser Gericht bestätigte Vorwürfe der Veruntreuung von EU-Geldern in Höhe von 474.000 Euro während ihrer Zeit als Europaabgeordnete (2004–2016). Das Urteil schließt sie von kommenden Wahlen aus und verhängt eine Haftstrafe – eine außergewöhnlich harte Entscheidung, die politisch weitreichende Folgen haben könnte.

Der Vorwurf: EU-Gelder für Parteiarbeit genutzt

Le Pen soll vier EU-finanzierte Mitarbeiter auch für parteipolitische Zwecke eingesetzt haben. Ähnliche Fälle gab es jedoch bereits in anderen Parteien:

  • Franziska Brantner (Grüne) nutzte 2011 Parlamentsmitarbeiter für einen Landtagswahlkampf.
  • François Bayrou (MoDem), aktuell Ministerpräsident, stand 2024 wegen zweckentfremdeter EU-Mittel in Höhe von 1,4 Millionen Euro vor Gericht – wurde jedoch freigesprochen.

Trotz dieser Präzedenzfälle trifft Le Pen eine unverhältnismäßig strenge Strafe: Wahlausschluss und Gefängnis. Das Gericht begründete dies mit einer drohenden „Störung der öffentlichen Ordnung“ – ein Urteil, das viele als politisch motiviert kritisieren.

Quer durch das Spektrum: Empörung über das Urteil

Sowohl Rechte wie Éric Zemmour (Reconquête) als auch Linke wie Jean-Luc Mélenchon (LFI) verurteilten die Entscheidung. Mélenchon warnte: „Die Absetzung eines gewählten Vertreters sollte dem Volk überlassen bleiben.“ Selbst Regierungsvertreter wie Premierminister Bayrou zweifeln mittlerweile an der Rechtmäßigkeit des Urteils.

Jordan Bardella: Der Profiteur der Krise?

Während Le Pen als „Märtyrerin“ ihrer Bewegung gilt, rückt ihr designierter Nachfolger Jordan Bardella (29) ins Rampenlicht. Der charismatische RN-Parteichef führte die Partei bereits 2024 zum Europawahl-Sieg und könnte von einer Solidarisierungswelle profitieren. Umfragen zeigen: Sein Rückhalt in der Bevölkerung ist kaum schwächer als der Le Pens.

Langfristige Folgen: Zersplitterte Rechte vs. gestärkter RN

Das Urteil könnte die ohnehin fragmentierte französische Rechte weiter polarisieren:

  • Kleinere rechte Parteien wie Zemmours Reconquête (3 %) könnten Wähler an den RN verlieren.
  • Bardella hat das Potenzial, die RN als robuste Alternative zum Establishment zu positionieren – gestützt auf kommunale Verankerung und klare Themen wie Migrationskritik und EU-Skepsis.

Fazit: Ein Pyrrhussieg für das Establishment?

Die Justiz mag Le Pens Karriere vorerst gestoppt haben – doch der RN steht mit Bardella ein junger, populärer Leader bereit. Die überharte Bestrafung könnte der Partei sogar neuen Zulauf bescheren. Für die Macron-Regierung birgt das Urteil somit ein erhebliches Risiko: Anstelle einer gebannten Le Pen könnte 2027 ein noch entschlossenerer Bardella antreten.

Le Pen kündigte unterdessen Berufung an – doch ein Abschluss vor der Präsidentschaftswahl 2027 gilt als unwahrscheinlich. Bis 2030 darf sie kein Amt mehr bekleiden. Doch ob das die „Le Pen-Dynamik“ bremsen wird, bleibt fraglich.