von Verena Liedthaus
In den letzten Jahren hat sich die Welt der Erwachsenenunterhaltung tiefgreifend verändert. Was einst eine von großen Studios dominierte Industrie war, ist nun zunehmend dezentralisiert und in die Hände der Darstellerinnen übergegangen. Plattformen wie OnlyFans haben es vielen ehemaligen Pornodarstellerinnen ermöglicht, ihre Karriere selbst zu steuern und mehr Kontrolle über ihre Inhalte und Einnahmen zu gewinnen. Doch diese neue Freiheit bringt auch neue Herausforderungen mit sich.
Mehr Kontrolle, aber auch mehr Verantwortung
In der klassischen Pornoindustrie war der Produktionsprozess von A bis Z von Studios und Regisseuren bestimmt. Darstellerinnen hatten kaum Einfluss auf die Inhalte oder die Drehpläne. Ihre Bezahlung war eine einmalige Gage für jede Szene, und die Rechte an den Inhalten lagen bei den Studios. Bei OnlyFans dagegen entscheiden die Creatorinnen selbst, wann, wie und mit wem sie ihre Inhalte produzieren. Diese Art der Selbstbestimmung hört sich verlockend an, birgt jedoch auch neue Belastungen.
Plattformen wie OnlyFans bieten den Darstellerinnen die Möglichkeit, ihre eigene Marke zu kreieren und direkt mit ihrem Publikum zu interagieren. Doch der Druck, regelmäßig neue und ansprechende Inhalte zu liefern, wächst mit der Anzahl der Abonnenten. Viele Creatorinnen beginnen zunächst mit weniger expliziten Inhalten, steigern aber im Laufe der Zeit die Intensität ihrer Darstellungen, um ihre Abonnentenzahlen zu halten. Es entsteht eine Art „Erwartungsdruck“: Wer nicht mehr liefert, verliert Abonnenten und somit auch Einkommen.
Psychologischer Druck statt Produzentenzwang
In der klassischen Pornoindustrie waren Darstellerinnen oft von Regisseuren und Studios abhängig, was den Druck anging, bestimmte Szenen zu spielen oder Praktiken auszuprobieren. Heute liegt dieser Druck auf den Creatorinnen selbst. Sie sind nicht nur Darstellerinnen, sondern auch Produzentinnen, Managerinnen und Vermarkterinnen. Der Arbeitsalltag besteht oft aus ständiger Kommunikation mit Fans, dem Schneiden von Videos, dem Posten auf Social Media und der ständigen Sorge um die nächste Zahlung.
Dieser ständige Arbeitsdruck hat seine eigenen psychischen Kosten. Es gibt keine Pausen und keinen Feierabend. Da der Erfolg eines Accounts direkt von der Anzahl der Abonnenten abhängt, sind Creatorinnen immer auf der Jagd nach neuen Inhalten und neuen Ideen. Die Verantwortung für den finanziellen Erfolg und das eigene Wohlbefinden liegt allein bei ihnen. Dieser Druck ist subtiler und oft schwieriger zu erkennen als der offene Zwang in der klassischen Pornoindustrie, kann aber genauso auslaugend sein.
Harter Content für hohe Einnahmen
Ein bedeutender Unterschied zwischen klassischen Pornoproduktionen und den Inhalten auf Plattformen wie OnlyFans ist die Art der Darstellungen. In der klassischen Pornoindustrie sind Szenen oft sehr technisch und geskriptet, mit einem klaren Fokus auf die Umsetzung des Drehbuchs. OnlyFans-Inhalte wirken oft authentischer, persönlicher und intimer. Diese Nähe zum Publikum führt zu einer stärkeren emotionalen Bindung, kann aber auch problematisch werden, wenn die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben immer mehr verschwimmen.
Viele bekannte Darstellerinnen, die von der klassischen Industrie zu OnlyFans gewechselt sind, haben berichtet, dass sie mit der Zeit immer härtere Inhalte produzieren mussten, um ihre Reichweite zu halten. Was anfänglich harmlos begann, entwickelte sich mit der Zeit zu immer extremeren Darstellungen. Die steigende Nachfrage nach „extremem“ Content führt dazu, dass Creatorinnen ihre eigenen Grenzen immer wieder neu definieren müssen, um in einem immer wettbewerbsfähigeren Markt zu bestehen.
Ein lukratives, aber forderndes Geschäftsmodell
Die monetäre Seite von OnlyFans ist für viele ein entscheidender Vorteil: Statt einer einmaligen Gage für eine Szene erhalten Creatorinnen regelmäßig Zahlungen durch Abonnements und zusätzliche Trinkgelder. Bei großen Namen wie Little Caprice oder Riley Reid, die den Wechsel von der traditionellen Pornoindustrie zu OnlyFans vollzogen haben, ist das Potenzial, hohe Einnahmen zu erzielen, deutlich höher als in der klassischen Branche. Doch auch hier gibt es Schattenseiten: Die Abhängigkeit von der Plattform, die Notwendigkeit, ständig neuen Content zu erstellen und die Unsicherheit über künftige Einnahmen stellen langfristig eine Belastung dar.
Fazit
OnlyFans hat die Pornobranche revolutioniert und den Darstellerinnen mehr Kontrolle über ihre Inhalte und Einkünfte gegeben. Doch diese neu gewonnene Freiheit hat ihren Preis: Der Druck, regelmäßig neue und häufig extremere Inhalte zu liefern, nimmt zu. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen, und der psychische Druck steigt. Was viele als Befreiung feiern, entpuppt sich für manche als neue Form der Selbstausbeutung.
Das Geschäft ist lukrativ, aber auch fordernd. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Modell langfristig tragfähig ist oder ob es nur eine kurze Blütezeit erlebt, bevor es durch neue Entwicklungen in der digitalen Welt abgelöst wird.